Corona verstärkt auch die Probleme der Innenstädte

Wie ein Brennglas zeigt Corona auch die Probleme und die Versäumnisse des letzten Jahre in den Innenstädten deutlich auf. Ralf Schwager und Bianca Kleeschulte vom Werbekreis Holzminden setzen sich dafür ein, dass endlich gehandelt wird. „Wir brauchen Macher und keine Konzeptzionisten! Wir werden in Zukunft eher weniger Einzelhandel in der Innenstadt haben und wären froh, wenn sich die vorhandenen Geschäfte halten können. Zur Nachnutzung der Leerstände müssen wir uns um modernen Wohnraum, Co-working-spaces, Pop-up-Stores und um eine Erweiterung der Gastronomie Gedanken machen. Unerlässlich ist auch ein Verkehrs- und Parkkonzept!“, sagen die beiden Einzelhändler.

Kritik üben beide auch an der Ungleichbehandlung vom Einzelhandel und den großen Lebensmittelketten. „Es ist nicht einzusehen, warum wir trotz guter Hygienekonzepte bei jedem Lockdown wieder zur Schließung gezwungen werden und Aldi und Lidl verkaufen lustig weiter Klamotten. Wir werden regelrecht diskriminiert!“, regt sich Ralf Schwager auf. „Das kann alles nicht der richtige Weg sein, um Corona zu überstehen.“

 

Dass die bisherige Corona-Strategie der Landesregierung gescheitert ist, ist auch für Jörg Bode, stellv. Vorsitzender der FDP-Fraktion im Niedersächsischen Landtag und Wirtschaftsminister a.D. offensichtlich. „Wir erleben nur noch wiederkehrende Lockdowns beziehungsweise einen Dauerlockdown. Die Landesregierung setzt immer weiter auf ein „Mehr von demselben“. Es geht immer nur um mehr Eingriffe, mehr Freiheitsbeschränkungen“, so Bode.

Die Politik der Landesregierung wirke zunehmend orientierungslos. So sei Ministerpräsident Weil mit dem Vorsatz in die letzte MPK gegangen, einen kontaktarmen Osterurlaub in Niedersachsen zu ermöglichen. Herausgekommen sei am Ende aber die Idee der Osterruhe, die Weil noch am Dienstag als großartige Idee angepriesen hatte. „Das ist eine eigentümliche Logik: Weil ich nicht das bekomme, was ich für richtig gehalten habe, freue ich mich über das Gegenteil“, wundert sich Bode. Zumal vor der MPK auch seitens der Landesregierung keine Rede von den Gefahren der dritten Welle gewesen sei. „Hat der Ministerpräsident diese Erkenntnis erst im Laufe der MPK gewonnen? Da muss man sich doch fragen, mit welchem Erkenntnisstand er in diese Sitzungen geht. Wie gut ist er vorbereitet? Auf welche Experten bezieht er sich? Für mich zeigt das ganz klar, dass wir endlich einen interdisziplinären niedersächsischen Pandemierat brauchen“, so Bode.

Es müsse nachweisbar sein und erklärt werden, dass derartige Einschränkungen auch geeignet seien, um die Pandemie zu bekämpfen. Ansonsten verliere die Politik das Vertrauen der Menschen. Die gelte auch, wenn der Staat seine Aufgaben nicht erfülle. Als Beispiele nennt Bode das nur schleppend vorankommende Impfgeschehen, die immer noch nicht vorhandene Teststrategie, den Mangel an digitalen Lösungen – auch beim Schulunterricht – und die in den Schulen immer noch nicht installierten Luftreinigungssysteme.

 

Stephan Mittendorf von der Mittendorf Gastronomie in Buchhagen fasst die Lage der Gastronomen im Landkreis Holzminden zusammen: „Ja, wir bekommen inzwischen Gelder vom Bund, aber uns fehlt die Perspektive! Wir bringen gerne ein Sonderopfer für unser aller Gesundheitsschutz, aber wie und wann geht es weiter? Wir vermissen die Ideen der Politik, mit denen wir auch unsere Mitarbeiter motivieren können. Es ist alles sehr deprimierend!“, macht er den Unmut der gesamten Branche deutlich.

 

Jörg Bode ist sich sicher, dass mit der richtigen Strategie schon jetzt mehr gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben möglich wäre. „Dort, wo es professionelle Hygienekonzepte gibt, ist eine Öffnung mit innovativem Management und schützenden Masken außerhalb von Hotspots verantwortbar. Dagegen werden aber weiterhin die wirtschaftlichen Folgen dramatisch unterschätzt. Für manche Bereiche wie die Innengastronomie, weite Teile der Kultur und des Tourismus fehlt es nach wie vor an einer belastbaren Perspektive. Wer Angst um die Existenz hat, nimmt auch Schaden an der Seele. Gesundheit und Wirtschaft bedingt sich. Daher müssen wir endlich die Dinge vorantreiben, die Öffnungen wirklich sicherer möglich machen: Die

Bereitstellung von Schnell- und Selbsttests und schnellere Impfangebote, denn das Potenzial des Lockdowns ist ausgeschöpft.

 

Während der Corona-Pandemie hat der ländliche Raum ganz klar Vorteile gegenüber den städtischen Ballungszentren. Wir haben hier einfach per Platz. Deshalb darf der Inzidenzwert nicht das alleinige Mittel sein, um über Öffnungen bzw. Schließungen zu entscheiden. Wichtig ist dass, wir beim Impfen deutlich vorankommen. Da sind wir mit dem Impfzentrum in Holzminden und den Impfmobilen auf einem guten Weg. Bald kommt das Impfen in den Praxen dazu. Auch die Auslastung der Intensivbetten und die Mortalitätsrate vor Ort muss betrachtet werden. Vieles wird -wie so oft in Deutschland durch zu viel Bürokratie- ausgebremst. Apps wie `LUCA´oder ´PassGO´ könnten uns hier wieder mehr Freiheit geben“, sagt der FDP-Kreisvorsitzende Hermann Grupe hoffnungsvoll.